Leidensdruck für Angehörige oft groß

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"Demenz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, nicht die eines Einzelnen", bekräftigt Beatrice Gaiselmann beim Abschlusstermin ihres Kurses für pflegende Angehörige. Die Last müsse muss auf mehreren Schultern verteilt werden.

"Demenz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, nicht die eines Einzelnen", bekräftigt Beatrice Gaiselmann beim Abschlusstermin ihres Kurses für pflegende Angehörige. Die Last müsse muss auf mehreren Schultern verteilt werden.

Oberndorf. Auf die Frage, was ihr der Demenz-Kurs gebracht hat, antwortet eine Teilnehmerin: "Was wir im Kurs bekommen haben, ist wie ein Werkzeugkasten, aus dem wir uns bedienen können, um auf verschiedene Situationen besser einzugehen und Eskalationen zu vermeiden." Allen Beteiligten ist es eine Beruhigung, dass sie in Beatrice Gaiselmann von der Beratungsstelle "Leben und Wohnen im Alter" eine Ansprechpartnerin gefunden haben. Sie wird ihnen weiterhin ein offenes Ohr schenken.

Den Kurs "Hilfe beim Helfen" bietet die Beratungsstelle unter der Trägerschaft der Sozialstation Oberndorf sowie des Seniorenzentrums Haus Raphael der Keppler-Stiftung an. An der Gemeinschaftsaktion ebenfalls beteiligt sind die Pflegekasse der Barmer sowie die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg.

Die Kursleiterin kennt den Leidensdruck und die Herausforderungen, mit denen Ehepartner und Kinder bei der Pflege zu kämpfen haben. Sie müssen lernen, sowohl mit der Angst des Erkrankten als auch mit ihrer eigenen Furcht umzugehen.

Wegen Corona war wochenlang keine Entlastung durch ambulante Hilfen oder Tagespflege möglich. Auch der Kurs, der im Februar mit 15 Teilnehmern begonnen hatte, musste notgedrungen nach zwei Terminen bis Mitte Juni pausieren und konnte anstatt zu Ostern erst in der vergangenen Woche abgeschlossen werden.

Pflegenden Angehörigen soll innere Stabilität, mehr Selbstbewusstsein und ein leichterer Umgang mit den Erkrankten und der Erkrankung vermittelt werden. Alleinsein sei für die Erkrankten oft schwierig. Die Bezugsperson spiele als stabilisierender Faktor eine wichtige Rolle. Gaiselmann schärfte den Teilnehmern ein, trotzdem auch an sich selbst zu denken. "Sorgen Sie für sich. Nehmen Sie jede Hilfe in Anspruch, die Sie bekommen können. Es nützt niemandem, wenn Sie ans Ende Ihrer Kräfte gelangen", mahnte sie, die eigenen Grenzen zu akzeptieren. Es gebe keinen Grund für ein schlechtes Gewissen. Bei fortschreitender Krankheit seien kurze Sätze und klare Anweisungen am besten, um den Erkrankten nicht zu überfordern. Zu viele Alternativen erzeugten Stress. Jegliche Art von Bewegung sei Training für Muskeln und Gehirn. Doch es komme mit dem Herannahen des Sterbeprozesses auch die Zeit, den Rückzug zu akzeptieren.

Auch in der Nachbarschaftshilfe engagierte Menschen nahmen an dem mittlerweile vierten Kurs teil. Jeder Interessierte sei willkommen. "Auch wenn wir heute nicht betroffen sind, können wir es morgen schon sein", weiß Beatrice Gaiselmann aus langjähriger Berufserfahrung. Unermüdlich setzt sie sich dafür ein, die oft verdrängte oder verschwiegene Krankheit ohne Scham in die Öffentlichkeit zu tragen und offen damit umzugehen.

Die laut eigenen Worten "spätberufene Altenpflegerin" mit Zusatzqualifikationen als Case Managerin und Fachwirtin für Organisation und Führung im Sozialwesen vermittelt Wissenswertes zum Umgang mit Krankheitsbildern und Symptomen und informiert über Entlastungsangebote, frühzeitige Beratung und Vorsorge. Mit einer guten Portion Humor könne so manche Situation entschärft werden. "Je mehr Gelassenheit und Ruhe Sie ausstrahlen, umso mehr bekommen Sie vom Erkrankten zurück", erklärte sie. Die Nachbarschaftshilfe habe es einfacher als die Angehörigen, fand eine der Anwesenden, denn "wir müssen uns im Gegensatz zur Familie nur für zwei Stunden zusammenreißen". Solchen Besuchern empfiehlt Gaiselmann einen unbefangenen Einstieg und ein alltägliches Gespräch, um Zugang zum Betroffenen zu finden. Als Türöffner könne der frühere Beruf, ein Hobby oder ein anderes Thema aus der Biografie des Erkrankten dienen. Anmeldungen für den neuen Kurs vom 5. November bis 17. Dezember nimmt die Beratungsstelle Leben und Wohnen im Alter in der Pfalzstraße 1 ab sofort entgegen. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Anmeldeschluss ist der 5. Oktober.

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